Grundlagen der modernen Linguistik
Ferdinand de Saussure: Cours de linguistigue général (1916)
- jede Sprache weist eine bestimmte Struktur auf
- und kann als System beschrieben werden
- die einzelnen Elemente stehen in komplexem Abhängigkeitsverhältnis zueinander
Arbitrarität des Zeichens
Das sprachliche Zeichen ist für de Saussure die elementare Einheit (z.B. Wort).
Syntagmatische und paradigmatische Beziehungen
Die Beziehungen, die zwischen den einzelenen Elementen des Sprachsystems bestehen, lassen sich im wesentlichen auf 2 Typen reduzieren:
Synchronie und Diachronie
Vor de Saussure wurde hauptsächlich historisch vergleichende Sprachwissenschaft betrieben.
D.h., untersucht wurde die Entwicklung einzelner Laute und Formen ohne Berücksichtigung des Systemcharakters der Sprache.
Für dieses Vorgehen prägte de Saussure den Begriff "Diachronie".
De Saussure propagierte im Gegensatz dazu die "Synchronie", also die Untersuchung des Sprachsystems zu einem bestimmten Zeitpunkt ohne Berücksichtigung der historischen Entwicklung.
de Saussure (1916): Langue/Parole
Langue = "die Sprache":
Das abstrakte System von Zeichen und Regeln
Parole = "das Sprechen":
Die konkrete Realisierung von Langue
Ziel:
Aussagen über die Langue, diese gewinnt man durch Untersuchung der Parole, also eines Korpus
Bloomfield (1933): Strukturalismus
Behaviouristische Psychologie:
Es lassen sich nur aufgrund unmittelbar beobachtbarer Daten Aussagen machen.
Das heißt für die Linguistik:
=> Introspektion ist nicht zugelassen
=> Untersuchungsgegenstand für die Linguistik sind umfangreiche, "repräsentative" Korpora von tatsächlichen Äußerungen.
Solche Aussagen können nur durch operationale Verfahren gewonnen werden.
=> Es können nur Aussagen über die Struktur, nicht aber die Bedeutung gemacht werden.
Chomsky (1965): Kompetenz/Performanz
Kompetenz = "allgemeine Sprachfähigkeit":
beim Spracherwerb erworbenes Wissen über die Muttersprache
endliches Inventar von Elementen (Laute und Wörter)
Verknüpfungsregeln
der "ideale Sprecher/Hörer" kann Grammatikalitätsurteile abgeben:
- richtig/falsch
- Mehrdeutigkeiten und Praphrasebeziehungen
Im Unterschied zur Parole kein statisches System, sondern dynamisches System, das zur unendlichen Produktion von Sprache befähigt.
Performanz = "individuelle Sprachverwendung":
Analog zur "Parole" die konkrete Realisierung.
Ziel:
Beschreibung der Kompetenz, so daß auch die Vorgänge beim Spracherwerb erklärt werden. Das relevante Datenmaterial wird in erster Linie durch Introspektion gewonnen.
Anforderungen an eine Sprachbeschreibung: Adäquatheit
Beobachtungsadäquatheit (= observationelle Adäquatheit):
Eine Sprachbeschreibung, die beobachtungsadäquat ist, muß alle beobachtbaren Phänomene abdecken, d.h., alle sprachlichen Daten müssen korrekt erfaßt werden.
Beschreibungsadäquatheit (= deskriptive Adäquatheit):
Eine Sprachbeschreibung, die beschreibungsadäquat ist, muß alle nicht nur alle beobachtbaren Phänomene abdecken, die Analyse muß auch der Intuition des "idealen Sprecher/Hörers" übereinstimmen.
Erklärungsadäquatheit (= explanatorische Adäquatheit):
Über die Beobachtungs- und Beschreibungsadäquatheit hinaus, muß eine erklärungsadäquate Sprachbeschreibung in der Lage sein, Daten des Spracherwerbs und Gemeinsamkeiten zwischen Sprachen (Universalien) korrekt zu erklären.
Phonetik
Die Phonetik untersucht mit die physiologischen und physikalischen Eigenschaften menschlicher Äußerungen:
die artikulatorische Phonetik befaßt sich mit der Bildung von Lauten und den Sprechwerkzeugen
die akustische Phonetik befaßt sich mit den physikalischen Eigenschaften des Schallereignisses
die auditive/perzeptive Phonetik befaßt sich mit der Rezeption, d.h. mit dem Gehöreindruck.
Die Sprechwerkzeuge
Die Vokale
Die Konsonanten
Das menschliche Gehör
Sprache in Form von Schallwellen
Spektrogramm
Phonologie
Im Gegensatz zur Phonetik untersucht die Phonologie die jeweiligen Lautsysteme natürlicher Sprache. Ihr Ziel ist es, die systematischen Aspekte der Lautbilder einzelner Sprachen zu beschreiben.
- Wortphonologie
: Welchen Gesetzmäßigkeiten unterliegen die Laute innerhalb eines Wortes?
- Intonatorik
: Welche intonatorischen Mittel (Tonmuster, Pausen, Akzent) korrelieren mit bestimmten Bedeutungen oder Funktionen?
- Sandhilehre (=Fügungsphonologie)
: Welche lautlichen Veränderungen ergeben sich, wenn man Wörter zu komplexen Einheiten zusammenfügt?
z.B. Nous y allons.
im Deutschen nicht so wichtig!
- Realisationsphonologie: Welche systematischen lautlichen Modifikationen sind pragmatisch, also z.B. durch Sprechstil oder Sprechtempo, bedingt?
Intonatorik
Tonmuster: Indikator für den Satzmodus:
fallend: Aussagesatz
steigend: Fragesatz
progredient: Teilsatz, der einer Fortsetzung bedarf
Akzent: Hervorhebung
Peter kommt.
Peter kommt.
speziell: Kontrastakzent: nicht Peter sondern Karl kommt.
Realisationsphonologie
In der kontinuierlichen Sprache kommt es zu zahlreichen Verinfachungen:
- Assimilation
: benachbarte Laute werden einander aus phonetischer Sicht angeglichen:
toben: [to:bn] -> [to:bm] -> [to:m]
reden: [re:dn] -> [re:dn] -> [re:n]
legen: [le:gn] -> [legh]
hupen: [hu:pn] -> [hu:pm]
beten: [be:tn] -> [be:tn]
hacken: [hakn] -> [hakh]
nehmen: [ne:mn] -> [ne:mm] -> [ne:m]
lehnen: [le:nn] -> [le:nn] -> [le:n]
langen: [lan] -> [lahh] - > [lah]
Auslassung ganzer Segmente:
Hast du ihn nicht gegessen?
[hast du: i:hn niçt g gesn]
[hasnniçtg gesn]
Beispiele für phonologische Regularitäten im Deutschen
Glottalisierung:
vor Vokalen am Silbenanlaut wird im Deutschen der glottale Knacklaut artikuliert ([ ])
vergl. "auf", "aus" gegenüber "hinauf", "heraus"
Aspiration:
stimmlose Verschlusslaute im unmittelbaren Silbeneinsatz werden im Deutschen aspiriert (z.B. ([kh])
vergl. "krank" - "glatt", "platt" - "Blatt", usw.
Assimilationsphänomene:
n wird vor [g] und [k] velarisiert
vergl. "singen" oder "sinken" gegenüber "trennen"
[g] wird nach [ ] getilgt
vergl. wieder "singen" und "sinken"
Minimale Beschreibungseinheiten
Phon: Minimale lautliche Einheit, die ein Sprecher durch Zerlegung (= Segmentierung) des Schallstromkontinuums aufgrund kleinster wahrnehmbarer Unterschiede feststellen kann.
Notation: [fo:n]
Phone werden durch IPA, das internationale phonetische Alphabet dargestellt
Doch:
nicht alle möglichen Phone kommen in einer Einzelsprache, z.B. dem Deutschen auch als Wortbestandteile vor
es gibt z.B. im Deutschen bestimmte Phone (z.B. das apikale und das uvulare r), die nicht zu einer Bedeutungsunterscheidung führen
Interessant sind für die Phonologie aber diejenigen minimalen lautlichen Einheiten mit potentiell bedeutungsunterscheidender (= distinktiver) Funktion. Diese nennt man Phoneme.
Notation: /fo:ne:me/
Phoneme
Methode zur Erfassung des Phonembestandes einer Sprache: Minimalpaarmethode
Idee der Minimalpaarmethode:
Betrachte Paare von Phonen.
Suche zu jedem Paar von Phonen 2 Wörter mit verschiedener Bedeutung, die sich in ihrer lautlichen Gestalt nur dadurch unterscheiden, daß sie je eines der Phone enthalten.
Wenn ein solches Paar von Wörtern ( = ein Minimalpaar, da es sich nur hinsichtlich einer einziegen Eigenschaft unterscheidet) gefunden werden kann, so handelt es sich um unterschiedliche Phoneme.
Beispiele:
Kasse:Gasse => /k/ und /g/
Heer:Teer => /h/ und /t/
aber gilt auch /t/ _ /g/ bzw /k/?
ja, wegen Tasse:Kasse bzw. Tasse:Gasse
wer:sehr => /w/ und /s/
usw.
Allophone
Phoneme lassen sich auffassen als Klassen von Allophonen; das sind konkret realisierte lautliche Varianten eines Phonems.
Verschiedene Arten von Variation:
- freie Varianten: freie Varianten können in allen Kontexten gegeneinander ausgetauscht werden.
z.B. die Aussprachevarianten von /r/
- kombinatorische Varianten: das Auftreten der unterschiedlichen Varianten ist von betimmten Bedingungen abhängig. Sie können nicht frei ausgetauscht werden.
Beispiel: [
ç] (Ich-Laut) und [c] (Ach-Laut) als Allophone von /ch/.
nach palatalem Vokal [ç]: ich, echt, lächeln, Küche, Köche
nach velarem Vokal [c]: Kuchen, Koch, Bach
nach Konsonant [ç]: Kelch, schnarchen, Fenchel
Die beiden Laute sind also komplementär verteilt.
Suprasegmentale Merkmale
Zwei Lautfolgen, die aus denselben Segmenten bestehen können unterschieden werden durch:
Position des Akzents:
úmfahren - umfáhren, únterstellen - unterstéllen, Ténor - Tenór, Vóllzug - Vollzúg, ...
= > Deutsch ist eine Sprache mit (weitgehend) freiem Wortakzent
Silbenstruktur:
Solln - sollen (Anzahl der Silben)
nitrate - night rate (Position der Silbengrenze)
Tonstruktur:
z.B. im Mandarin-Chinesisch:
hoher Ton: [ma] = Mutter
hoher steigender Ton: [ma] = Hanf
fallend-steigender Ton: [ma] = Pferd
fallender Ton: [mà] = schimpfen
Die Silbe
Die Silbe ist eine intuitiv feststellbare Einheit des Wortes ohne einheitliche Definition.
Interne Struktur der Silbe:
Nukleus (Silbenkern): Maximale Schallstärke
Kopf = Silbenanfang, Koda = Silbenende
offene Silbe: Silbe endet auf Vokal
geschlossene Silbe: endet auf Konsonant
Gelenk: gehört ein Laut zu zwei Silben (=ambisyllabisch) so wird er als Gelenk bezeichnet.
Zur Relevanz des Silbenbegriffs
Die Auslautverhärtung im Deutschen:
[g] - [k]: jagen [..g..] - Jagden [..k..]- jagt/Jagd [..k..]
[b] - [p]: loben [..b..] - löblich [..p..] - lobt [..p..]
[d] - [t]: meiden [..d..] - vermeidbar [..t..] - miedst [..t..]
[z] - [s]: lesen [..z..] - lesbar [..s..] - liest [..s..]
[v] - [f]: aktive [..v..] - aktiv [..f..] - kurvt [..f..]
Regel: Obstruenten sind in der Koda immer stimmlos!
Diese Regel gilt unabhängig davon, ob auf die Koda eine Wortgrenze oder eine Silbengrenze folgt, und für sämtliche Obstruenten in der Koda.
Morphologie: Das Wort
Orthographisches Kriterium:
Ein Wort ist, was zwischen Leerzeichen oder Separatoren steht.
Was sind die Separatoren?
- viele Separatoren sind ambig, z.B. Punkt:
u.a., F.D.P.
- wie werden Bindestriche behandelt?
Garmisch-Partenkirchen, Blut- und Leberwurst
- wie werden Apostrophen behandelt?
hat’s, Wies’n
- Wörter, die sowohl zusammen als auch auseinandergeschrieben werden können:
zuhause - zu Hause, wir kommen an - daß wir ankommen
Morphologie: Das Wort
Sogenannte Grenzsignale zeigen die Wortgrenzen an:
- Akzent in Sprachen mit festem Akzent (erfordert aber Kenntnis der Silbengrenzen)
- phonotaktische Regeln:
Beisp. /mpfl/ muß eine Wortgrenze enthalten, aber nicht eindeutig wo:
(daß er nach dem) Kampf log
(als es über den) Kamp flog
(weil sie den) Kamm pflog
- Junktur (= loser Anschluß):
Baumast = /baum+ast/ oder /bau+mast/
aber auch: kopflos = /kopf+los/
=> liefert Wortbestandteile, nicht notw. nur Wörter
- Vokalharmonie:
z.B. Ungarisch: alle Vokale eines Wortes müssen entweder vordere oder hintere Vokale sein. D.h. zwischen verschiedenen Vokaltypen müssen Wortgrenzen sein.
Aber: Budapest
Morphologie: Das Wort
syntaktische Kriterien
Typische Eigenschaften von Wörtern sind:
- innerhalb des Satzes relativ frei verschiebbar:
"Das Haus brennt langsam ab" was ist da frei verschiebbar?
- innerhalb eines Wortes kann nichts eingefügt werden:
zurückgehen - zurückzugehen - zurückgegangen
- Wörter können innerhalb eines Satzes ausgetauscht werden:
daß er mich an{ruft,läutet}
Morphologie: Das Wort
lexikalisch-semantische Kriterien
Ein Wort ist ein kleinster relativ selbständiger Träger von Bedeutung.
- was heißt relativ selbständig?
syntaktisch: austausch- und ersetzbar?
ist in in Lehrerin, Spielerin, ... selbständig?
- was heißt Träger von Bedeutung?
Kind + er: Kind = junger Mensch, er = mehr als 1.
Fazit aus den Definitionsversuchen:
Es gibt keine einheitliche Definition für Wort. Allerdings gibt es ein intuitives Grundverständnis dessen, was ein Wort ist, und das wird durch die Definitionsversuche zumindest tendenziell gestützt.
Morphologie: Das Wort
die folgenden Elemente gehören intuitiv zusammen:
- gehe - gehst - geht - gehen - geht - gehen
- Kind - Kindes - Kinder - Kindern
Unter einem Lexem versteht man einen möglicherweise abstrakten Lexikoneintrag, der in verschiedenen Wortformen realisiert sein kann. z. B. KIND, GEHEN, ...
Eine Wortform ist also eine mögliche Realisierung eines Lexems. Alle möglichen Wortformen eines Lexems bilden das Paradigma.
Als grammatisches Wort bezeichnet man ein Lexem zusammen mit grammatischen Merkmalen.
Beispiele
Lexem: KIND
Wortform: Kinder
grammatisches Wort: <kind.plural>
Paradigma:
|
Singular |
Plural |
Nominativ |
Kind |
Kinder |
Akkusativ |
Kind |
Kinder |
Dativ |
Kind(e) |
Kindern |
Genitiv |
Kindes |
Kinder |
das Lexem ist ein Element des Lexikons
die Wortform ist ein Element der Parole
das grammatische Wort ist ein Element der Grammatik, insbes. der Syntax
Morphologie: das Wort
Homonymie und Homographie
Werden zwei unterschiedliche Lexeme von derselben Wortform realisiert, so spricht man von Homonymie (bei gleicher Aussprache) bzw. Homographie ( bei gleicher Schreibung).
Bei Homonymie und Homographie handelt es sich um rein zufällige Gleichheit der Form.
Beispiel: Bank
- BANK1 = Geldinstitut
- BANK2 = Sitzgelegenheit
- Polysemie
Handelt es sich jedoch nicht um grundsätzlich verschiedene Lexeme, sondern gibt es eine einheitliche Grundbedeutung, so spricht man von Polysemie.
Beispiele:
- Birne: Obst bzw. Glühbirne
- Spitze: Nadel-/Speerspitze bzw. Spitzengruppe
Minimale Beschreibungseinheiten der Morphologie
- Wörter haben eine interne Struktur, sind also nicht die minimalen Einheiten.
- Die minimalen Beschreibungseinheiten der Morphologie nennt man Morphe bzw. Morpheme (= kleinste bedeutungstragende Elemente).
- Definition: "Ein Morphem ist die kleinste, in ihren verschiedenen Vorkommen als formal einheitlich identifizierbare Folge von Segmenten, der (wenigstens) eine als einheitlich identifizierbare außerphonologische Eigenschaft zugeordnet ist."
- Das Morph ist ein Element der parole, also eine konkrete Realisierung eines Morphems (= Element der langue). Verschiedene Realisierungen eines Morphems nennt man Allomorphe.
- Beispiel:
er in Kinder, s in Autos, en in Frauen sind Morphe und insbesondere Allomorphe zum Pluralmorphem.
Morpheme 1
freie - gebundene Morphe/Morpheme:
Morphe (Morpheme), die selbständig ein Wort bilden können, also frei vorkommen können, heißen freie Morphe (Morpheme).
Morphe (Morpheme), die dagegen nicht selbständig ein Wort bilden können, sondern immer in Kombination mit anderen Morphen (Morphemen) auftreten, heißen gebundene Morphe (Morpheme).
Beispiel: Kind + er. Kind ist ein freies Morph während er ein gebundenes Morph ist.
lexikalische - grammatische Morphe/Morpheme:
Morphe (Morpheme), die einem Lexem, also einem Element des Lexikons, entsprechen, nennt man lexikalische Morphe (Morpheme).
Morphe (Morpheme), die keinem Lexem entsprechen, sondern lediglich eine grammatische Funktion haben, nennt man grammatische Morphe (Morpheme) oder auch Flexionsmorpheme.
Beispiel: hat in ’hat gelesen’ ist frei aber grammatisch, les ist gebunden aber lexikalisch.
Morpheme 2
Derivationsmorphe(me) = Ableitungsmorphe(me)
Neben den lexikalischen und grammatischen Morphe(me)n gibt es noch eine dritte Gruppe, die Derivationsmorpheme. Im Gegensatz zu den lexikalischen Morphe(me)n entsprechen sie keinem Lexem, sondern sie modifizieren Lexeme. Sie haben damit also mehr als nur grammatische Funktion.
Beispiel: Arbeit + er. er ist ein Derivationsmorph(em), das aus dem Lexem ARBEIT ein neues Lexem ARBEITER macht.
freie lexikalische Morphe(me) bezeichnet man als Wurzel
Morph(em)kombinationen, die einem Lexem entsprechen, aber keine Flexionsmorphe(me) enthalten, nennt man Stamm oder Basis.
Beispiel: kind ist die Wurzel von Kinder. arbeit ist die Wurzel und arbeiter der Stamm von Arbeitern.
Morpheme 3
unikale Morphe(me):
Morphe(me), die nur in einem bestimmten Kontext auftreten, die man weder als lexikalische noch als grammatische noch als Derivationsmorphe(me) klassifizieren kann, nennt man unikale Morphe(me) oder auch gebundene Basen.
Beispiel: him in Himbeere.
Fugenmorphe(me):
gebundene Morphe(me), die bei der Aneinanderfügung zweier Wörter ohne eigene grammatische Funktion eingefügt werden, heißen Fugenmorph(em).
Beispiel: liebe + s + brief, rind + er + braten, schwein + {e,s} + braten, trennung + s + schmerz.
Fugen sind häufig Flexionsmorphe des jeweiligen Paradigmas, aber nicht notwendig
phonologische und semantische Erklärungen liefern kein zufriedenstellendes Ergebnis
Affixe
Eine typische Realisierung für grammatische und Derivationsmorpheme sind Affixe:
als Affix bezeichnet man sprachliche Einheiten, die nicht frei vorkommen, die an Stämme angefügt werden und die als Flexions- oder als Derivationsmorpheme fungieren können.
Beispiel: Es gibt im Deutschen 2 verschiedene Möglichkeiten, das Präteritummorphem zu realisieren:
1. das Affix t bei schwachen Verben: sag + t
2. der Ablaut bei starken Verben: les - las
Affixe unterscheidet man nach ihrer Stellung in bezug auf den Stamm:
Präfixe stehen vor dem Stamm, z.B. un: un + richtig
Suffixe stehen nach dem Stamm, z.B. er: arbeit + er
Infixe werden eingefügt, z.B. zu: aus + zu + gehen
Zirkumfixe sind diskontinuierlich um den Stamm herumgefügt, z.B. ge - t : ge + sag + t
Morphologische Prozesse
Ein morphologischer Prozeß ist jede Operation, die eine morphologische Funktion kodiert.
- Additive morphologische Prozesse
modulatorisch-additiv: additive Veränderung eines Segments, z.B: domus (sing) - domus (plu)
Reduplikation: Wiederholung einer Phonemfolge des Stamms (total oder partiell). Im Deutschen nur noch rudimentär in tagtäglich oder wortwörtlich.
Affigierung: im Gegensatz zur Reduplikation wird immer identisches Sprachmaterial angefügt.
- Nicht-additive morphologische Prozessse
- modulatorische Prozesse: nicht quantitative Veränderung eines Segments, z.B. Umlaut Stamm - Stämme
- subtraktive Prozesse (= Elision): Weglassung von Segmenten. z.B. franz. Adjektive blanche - blanc
- ý_-Prozesse
- Morphologische Funktion wird nicht durch sprachliche Mittel realisiert, z.B. der Kasus - die Kasus
- Suppletion
- Komplette Veränderung des Stammes: gut - besser
Sprachtypen
Isolierende Sprachen:
Isolierende Sprachen zeigen keine oder nur geringe Markierung der morphologischen Merkmale. Häufig werden die Merkmale durch syntaktische Prozesse (z.B. Wortstellung) kodiert.
Bsp. Vietnamesisch
- Agglutinierende Sprachen:
Jedes morphologische Merkmal wird durch ein separates Morphem (i. d. R. bestimmtes Affix) realisiert, die nacheinander mit dem Stamm verbunden werden. Die Morpheme sined hinsichtlich Form und Funktion eindeutig segmentierbar.
Bsp: Türkisch
Im Unterschied zu agglutinierenden Sprachen findet zwar die Realisierung der morphologischen Merkmale durch morphologische Prozesse statt, ein Prozeß kann jedoch mehrere morphologischen Merkmale gleichzeitig realisieren.
Bsp: Deutsch
Wortarten
Mögliche Kriterien zur Bestimmung von Wortarten
- Morphologie
- ausschlaggebend ist, welche morphologischen Merkmale (wie) an einem Wort markiert werden.
- Beispiel: Adjektive sind markiert bzgl. Grad ..., Verben sind markiert bzgl. Tempus, Modus,...
- Probleme: Wie klassifiziert man Wörter, die keine explizite Markierung aufweisen, etwa nicht-flektierende Adjektive wie lila?
Was passiert mit den Funktionswörtern (Konjunktionen, Adverbien, Partikeln, Präpositionen)?
- Semantik
- ausschlaggebend ist, was für einen Bedeutungstyp ein Wort hat.
- Beispiel: Nomen stehen für Entitäten, Verben für Handlungen, Adjektive für Eigenschaften usw.
- Probleme: was sind Handlungen? Was sind abstrakte Nomen? ...
Wortarten 2
Syntax
ausschlaggebend ist die Kombinierbarkeit mit anderen Elementen und die syntaktische Funktion im Satz
Beispiel: Elemente die mit der/die/das verbunden werden können sind Nomen.bzw. Nomen können das Subjekt oder Objekt eines Satzes bilden
Typische Tests: Distributionsrahmen:
der/die/das ... ist schön
das ... Haus
jemand ... etwas.
- Probleme: wie definiert man die Rahmen? Ist jemand hat etwas ... dasselbe wie jemand ... etwas?
=> Mischklassifikation ist notwendig. In der Regel Mischung aus morphologischen und syntaktischen Eigenschaften
Nomen
Typische Eigenschaften:
können evt. modifiziert durch Adjektive, Determinatoren, Relativsätze das Subjekt oder Objekt eines Satzes bilden
Distributionsrahmen: der/die/das ... hat/haben eine bestimmte Eigenschaft.
flektierbar
morphologische Merkmale:
Genus ist inhärent (= lexikalische Eigenschaft)
Kasus
Numerus
- typische Realisierung: Numerus durch versch. Affixe
(-s, -er, -(e)n, -e) oder auch Umlautung
Verben
Typische Eigenschaften:
bilden das Prädikat des Satzes
Distributionsrahmen: jemand/etwas ... jemanden/etwas (jemandem/etwas) usw.
konjugierbar
morphologische Merkmale:
Tempus
Modus
Person und Numerus entsprechend dem Subjekt
infinite Formen: Infinitiv, Partizip I unde II.
- typische Realisierung: Person/Numerus durch versch. Affixe, Tempus durch Affixe (schwache Verben Präteritum durch -te) oder Ablaut (starke Verben)
- unterschiedliche Typen: Vollverben, Hilfsverben (Auxiliare) und Modalverben.
Adjektive
Typische Eigenschaften:
können pränominal oder prädikativ verwendet werden
Distributionsrahmen: der/die/das ... X bzw. X ist ....
flektierbar
morphologische Merkmale:
Genus, Kasus,Numerus entprechend dem
folgenden Nomen
Deklinationstyp (stark, schwach, gemischt)
Grad (positiv, komparativ, superlativ)
- typische Realisierung:
Komparativ durch -er, Superlativ durch -(e)st
Kongruenzmerkmale gebündelt durch (-e, -em, -en, -er, -es)
- Deklinationstyp:
Die Realisierung der Kongruenzmerkmale beim
pränominalen Adjektiv ist abhängig davon, was
vorangeht:
roter Wein - der rote Wein - kein roter Wein
rote Weine - die roten Weine - keine roten Weine
Adverbien
Typische Eigenschaften:
können Verben oder Sätze modifizieren
können alleine vor dem finiten Verb in Verbzweit-Sätzen stehen: Schön spielt das Kind.
Distributionsrahmen: X singt ... bzw. jemand macht ... etwas.
nicht flektierbar
Subklassen nach Funktion:
modal: singt schön
temporal: kommt heute
usw.
Determinatoren und Pronomen
Determinatoren: typische Eigenschaften:
- Position vor Nomen und pränominalen Adjektiven
- bezeichnet Anzahl oder Definitheit
- Distributionsrahmen: ... schöne große Häuser
- flektierbar
- morphologische Merkmale:
Genus, Kasus,Numerus entprechend dem
folgenden Nomen
bestimmt den Deklinationstyp folgender Adjektive
- typische Beispiele: der, ein, kein, Possessiva, Demonstrativa
Pronomen: typische Eigenschaften:
- Stehen anstelle von Nominalphrasen, können alleine als Subjekt oder Objekt fungieren
- Distributionsrahmen: ... tut etwas
- flektierbar
- morphologische Merkmale:
Genus, Kasus, Numerus und Person
sonstige Funktionswörter
- Adpositionen:
- können vor (Präposition) oder hinter (Postposition) Determinator, Adj und Nomen stehen und damit ein Objekt oder eine Angabe bilden.
- bestimmen (=regieren) den Kasus der folgenden Elemente
- nicht flektierbar
- Beispiele: auf, in um, um ... herum, halber, ..
- Konjunktionen
- verknüpfen Sätze oder Satzteile miteinander
- nicht flektierbar
- Beispiele: daß, obwohl, und, oder, ...
- Partikeln
- nicht flektierbar, können im Gegensatz zu Adverbien nicht allein die erste Position im Verbzweit-Satz einnehmen.
- Beispiele: nun, so, auch, ...
- Interjektionen
- Ausrufe: au, oje, hurra, ...
Flexion - Derivation - Komposition
Flexion: Realisierung der Wortformen. Flexion überführt Stämme/Lexeme in Wortformen.
Bsp: geh -> gehen, ging, ...
- Derivation: Vorgang bei dem aus einem Lexem ein neues Lexem gebildet wird.
Bsp: TRAGEN -> TRÄGER, TRENNEN -> TRENNUNG, LESEN -> LESBAR, KIND -> KINDLICH
- Komposition: Zwei oder mehrere Lexeme werden zu einem neuen Lexem kombiniert.
Bsp: Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitän
- Einige Anhaltspunkte für die Unterscheidung Derivation - Flexion:
- durch Flexion werden grammatische Merkmale realisiert
- Flexion ist prinzipiell wortarterhaltend
- Flexion ist vollproduktiv, d.h. auf jeden Stamm eines bestimmten Typs anwendbar
- das Ergebnis von Flexion ist voll prädiktabel
Wortbildung
Ziel der Wortbildung ist es, zu beschreiben, wie aus einfachen Wörtern (Lexemen) neue Wörter (Lexeme) gebildet werden können.
Was heißt einfach?
einfach: die Morphemzerlegung ergibt nicht mehr als ein lexikalisches Morphem
semantisch einfach: das Wort läßt sich nicht kompositionell in seine (lexikalischen) Bedeutungsbestandteile zerlegen.
Einfache Wörter bezeichnet man als Simplizia. (i.d.R. semantisch interpretiert)
Beispiele:
- morphologisch einfach: Häuser, Wald, sehen, gelb, ...
- morphologisch komplex aber semantisch einfach: Bahnhof, sichtbar, verlassen, Handtuch, ...
- semantisch komplex: Betrachter, Aufenthaltsgenehmigung, Holzschuppen, usw.
Derivation
Derivationsregel:
Stamm + Derivationsmorphem -> Stamm
Derivationsmorphem + Stamm -> Stamm
un-Präfigierung: un + X-Stamm -> X-Stamm
Effekt: Ausdruck des Gegenteils von X-Stamm
(X = Nomen, Adjektiv (auch adverbial))
un + Nomen: Unmensch, Untier, ...
un + Adjektiv: ungern, ungleich, ...
- Nomina agentis / instrumentalis: Verbstamm + er
Effekt: bezeichnet Instrument oder Agens der Verbalhandlung
Leiter, Träger, Bearbeiter, Sprecher, ...
Argumentvererbung: Ist die Basis ein mindestens transitives Verb, so besitzt das abgeleitete Nomen die entsprechenden Argumentstellen:
er leitet die Firma - der Leiter der Firma
Komposition
Kompositionsregel fürs Deutsche:
(Vorderglied)+ Hinterglied
mögliche Hinterglieder sind die Flexionsformen der Hauptwortarten (Nomen, Adjektiv, Verb), teilweise auch Adverbien
mögliche Vorderglieder sind:
Fugenformen der Nomen (z.B. Leistungs aber
nicht Leistung)
Verbstämme (tret, sing, ...), e-Formen (lese, trage,
...), z.T. auch Infinitive (helfen in das Helfenwollen)
unflektierte Adjektive (schön, blau, ...), unflektierte
Komparative und Superlative (höher, größt, ...)
Eigennamen: Bayernliga, Münchenbild, ...
Sonderfälle: Ichgefühl, Sichgehenlassen, dreijährig,
Zahlen
oder Komplexe, deren letztes Element ein
mögliches Vorderglied ist.
- das Hinterglied wird auch als Kopf (Head) bezeichnet
- das Kompositum erbt die morphologischen Merkmale des Kopfes
Beziehung innerhalb von Komposita
Rektionskomposita:
besetzt das Vorderglied eine Argumentstelle des Hinterglieds, so spricht man von Rektionskompositum
Bsp: Abteilungsleiter = Leiter der Abteilung, aber nicht: Holzleiter
Determinativkomposita:
hier wird durch das Vorderglied das Hinterglied näher spezifiziert
Bsp: Holzleiter = Leiter aus Holz
Kopulativkomposita:
Vorder- und Hinterglied werden als eine und-Verknüpfung interpretiert
Bsp: rotblau, Dichterfreund, ...
Andere Arten der Neubildung
Konversion
Wortartwandel ohne Affigierung
Bsp: lesen - das Lesen
Übernahme aus anderen Sprachen
Bsp: booten, einloggen, Terminus, Liaison, ...
Akronyme ( = Initialwort)
setzen sich aus den Anfangsbuchstaben der beteiligten Wörter zusammen.
Bsp: UKW, Laser, Radar, ...
Kurzwörter
verkürzte Formen bereits existierender Wörter
Bsp: Uni(versität), Auto(mobil), ...
Syntax
Ziel und Aufgabe der Syntax ist die strukturelle Beschreibung von Sätzen ( = Satzlehre). Das bedeutet:
- Wohlgeformtheitsbedingungen für Sätze
- Zuordnug einer Strukturbeschreibung
- Was heißt "Wohlgeformtheit" von Sätzen?
"Colourless green ideas sleep furiously." (Chomsky)
=> "Wohlgeformtheit" bezieht sich nur auf die Struktur, nicht auf den Inhalt (-> Semantik)
Traditionelle Satzteile
- Subjekt
- Prädikat
- Objekt
- Adverbialbestimmung
Zum Begriff Subjekt:
(1) Sein Nachbar ärgert Hans.
(2) Der Mann, der im Haus nebenan, das früher der Kusine von Karl, einem langjährigen Kollegen meines Vaters, gehörte, die es dann allerdings aus Geldmangel verkaufte und nach Köln zog, wohnt, ärgert Hans.
(3) Sie ärgert Hans.
(4) Daß das Haus nebenan verkauft wurde, ärgert Hans.
(5) Heute regnet es.
(6) Es kann nicht sein, daß es schon wieder regnet.
(7) Mir ist schlecht.
(8) Es wurde mir gleich schlecht.
(9) Sein Vorgehen wird von den Betroffenen kritisiert.
(10) Die Betroffenen kritisieren sein Vorgehen.
Traditionelle grammatische Funktionen
Zum Begriff Objekt:
(1) Sie liest den Roman.
(2) Sie liest den ganzen Tag.
(3) Sie liest ihn.
(4) Er schenkt dem Kind das Buch.
(5) Er schenkt das Buch.
(6) Er öffnet dem Mann die Tür.
(7) Sie wartet auf die Nachbarin.
(8) Sie wartet auf der Bank.
(7) Sie wohnt in München.
(9) *Sie wartet.
(10) Sie hofft, daß er zurückkommt.
(11) Sie hört das Auto kommen.
(12) Der Koffer wiegt über 20 kg.
(13) Das Kind wäscht sich.
(14) Das Kind schämt sich.
Fortsetzung: Objekt
(15) Er hört mit der Arbeit auf, die ihm sowieso keinen Spaß gemacht hat.
(16) Die Verwandten treffen sich jedes Jahr.
(17) Es wird von ihm berichtet.
(18) Das wurde uns gerade von ihm berichtet.
(19) Der Bademeister lehrt die Kinder das Schwimmen.
Traditionelle grammatische Funktionen
Zum Begriff
Prädikat:
(1) Das Auto fährt.
(2) Das Auto wird fahren.
(3) Das Auto wird fahren können.
(4) Das Auto fährt an.
(5) Das Auto fährt schneller.
(6) Ein schneller Wagen fährt vorbei.
(7) Die Sekretärin schreibt Maschine.
(8) Die Sekretärin schreibt auf der neuen Maschine.
(9) Er pflegt später zu kommen.
(10) Das Kind schämt sich.
(11) Das Kind wäscht sich.
Traditionelle grammatische Funktionen
Zum Begriff Adverbialbestimmung:
(1) Er arbeitet gern.
(2) Er arbeitet auf dem Bau.
(3) Er arbeitet besser als seine Kollegen.
(4) Er arbeitet um mehr Geld zu verdienen.
(5) Er arbeitet, obwohl er es nicht müßte.
(6) Er arbeitet da hinten.
(7) Er arbeitet dort.
(8) Der Vortrag dauert 2 Stunden.
Fazit: Es gibt keine eindeutige Zuordnung zwischen grammatischer Funktion, Form und Position
Bausteine (=Konstituenten) des Satzes
IC-Analyse (= immediate constituent) eines Satzes:
ein |
ganz |
neues |
Haus |
steht |
an |
der |
Ecke |
ein |
ganz |
neues |
Haus |
steht |
an |
der |
Ecke |
ein |
ganz |
neues |
Haus |
steht |
an |
der |
Ecke |
ein |
ganz |
neues |
Haus |
steht |
an |
der |
Ecke |
ein |
ganz |
neues |
Haus |
steht |
an |
der |
Ecke |
Entsprechende Baumstruktur:
Konstituenztests
Ersetzungsprobe:
Wortfolgen, die sich ohne Verlust der Grammatikalität füreinander ersetzen lassen, sind möglicherweise Konstituenten
Was sich pronominalisieren läßt ist eine Konstituente
In elliptischen Konstruktionen können nur Konstituenten weggelassen werden.
Wonach sich fragen läßt, ist eine Konstituente
Was sich koordinieren läßt, ist eine Konstituente
Was verschoben werden kann, ist eine Konstituente
Was allein das Vorfeld (= Position vor dem finiten Verb in Aussagesätzen) bilden kann, ist eine Konstituente
Ersetzungsprobe
ein ganz neues Haus
das Haus
Hotel Post steht an der Ecke
Karl
jemand
Aber:
ein ganz neues Haus steht an
es brennt hinter der Ecke
er bezweifelt den Nutzen
Die Ersetzungsprobe liefert nur Kandidaten für Konstituenten, diese müssen dann noch mit den anderen Tests überprüft werden!
Pronominalisierungs- und Fragetest
Das neue Haus steht an der Ecke.
Es steht an der Ecke.
Was steht an der Ecke?
Das neue Haus steht dort.
Wo steht das neue Haus.
Wie ist das Haus, das an der Ecke steht?
Hans will einen Glühwein trinken.
Ich will das auch.
Was will Maria auch?
Wozu arbeitet er?
damit er mehr Geld bekommt
um mehr Geld zu bekommen.
Aber nicht pronominalisierbar/erfragbar:
Das neue Haus steht an der Ecke.
Das neue Haus steht an der Ecke.
Das neue Haus steht an der Ecke.
Weglaßprobe
Hans liebt spannende Krimis aber Maria haßt spannende Krimis
Hans wohnt in München und Maria studiert in München.
Hans hat seine dreckigen Hosen und Maria hat ihre drekkigen Hosen gewaschen.
Das neue Haus steht an der Ecke und das frischgestrichene Haus steht hinter der Ecke.
Koordinationstest
Das neue Haus
und der alte Schuppen werden abgerissen.
Das ist eine sehr interessante und keineswegs offensichtliche Beobachtung.
Aber:
Die interessanten und die spannenden Bücher sind schnell verkauft.
Die interessanten und spannenden Bücher sind schnell verkauft.
Blut- und Leberwürste gehören zur Schlachtplatte.
Verschiebeprobe
Das neue Haus steht an der Ecke.
(daß) das neue Haus an der Ecke steht.
An der Ecke steht ein neues Haus.
Steht an der Ecke ein neues Haus?
Aber:
Er hat nur den einen Anzug.
Anzug hat er nur den einen.
Vorfeldtest
das Haus steht ...
an der Ecke steht ...
um Geld zu verdienen arbeitet er ...
besonders schön hat sie sich hergerichtet.
gern singt er auch vor Zuhörern.
Aber:
Teil hat er schon an vielen Demos genommen.(?)
Phrasen
Konstituenten, die ein Satzglied bilden können, nennt man Phrasen.
Phrasen werden nach der "typischen" lexikalischen Kategorie benannt, die sie enthalten.
Phrasentypen sind zum Beispiel: Nominalphrasen (NP), Adjektivphrasen (AP), Verbalphrasen (VP), Adverbialphrasen (AdvP), Präpositionalphrasen (PP).
Beispiele:
NP: der erste Tag nach den Weihnachtsferien
VP: fängt gut an
AP: besonders schnelle
AdvP: sehr oft
PP: an einer großen deutschen Universität
Baupläne von Phrasen
Beispiel: die NP
Pisten (sind überall gut präpariert)
die Pisten (sind überall gut präpariert)
Garmischs Pisten (sind häufig überlaufen)
die steilen Pisten (sind schwarz markiert)
steile Pisten (sollte man bei Vereisung meiden)
die steilen Pisten Garmischs (sind besonders gefährlich)
die von den Gästen am häufigsten befahrenen Pisten ...
die Pisten, die von den Gästen am häufigsten befahren werden, ...
alle Pisten mit blauer Markierung ...
alle Pisten Garmischs mit blauer Markierung ...
alle Pisten mit blauer Markierung Garmischs ...
*mit blauer Markierung Pisten ...
*die befahren werden, Pisten ...
Beispiel für NP
(aus: Die Meisengeige, hrsg. v. G.B. Fuchs (1964))
Mirakel
ein glatter zarter
ganz unbehaarter
und runder weißer
halb kalt halb heißer
herabgebeugter
ein wenig feuchter
und stramm gebückter
herausgedrückter
unten gewölbter
nach oben gekölbter
birnengeformter
und ungenormter
zärtlich zu fassender
kaum loszulassender
doppelt geschweifter
sanft ausgereifter
geschwind kuranter
und eleganter
bibbernd lebendiger
ungemein wendiger
matt aufglänzender
in sich sich ergänzender
ein ganz normaler
entzückend banaler
Neandertaler
Phrasenstrukturregeln
Um die möglichen Strukturen von Phrasen zu beschreiben, benutzt man Regeln der Form
X -> Y
1 Y2 ... Yn
wobei X und Yi Namen für syntaktische Konstituenten sind.
Eine solche Regel besagt, daß eine Konstituente X bestehen kann aus einer Folge Y1 Y2 ... Yn.
Beispiel:
NP -> DET N die Pisten
NP -> DET AP N die steilen Pisten
NP -> DET AP N PP die steilen Pisten mit blauer
Markierung
usw.
Wenn ein Yi eine Wortartbezeichnung ist (das nennt man lexikalische Kategorie), so bedeutet dies, daß ein Wort der betreffenden Kategorie eingesetzt werden kann. Ist Yi der Name einer Phrase, so bedeutet dies, daß hierfür eine Phrase diesen Typs eingesetzt werden kann.
Für was kann Yi noch stehen?
Phrasenstrukturregeln
Problem solcher "flachen Regeln":
- große nahezu unüberschaubare Menge von Regeln:
NP -> N (Pisten)
NP -> Det N (die Pisten)
NP -> AP N (steile Pisten)
NP -> Det AP N (die steilen Pisten)
NP -> N NPgen (Pisten deutscher Skiorte)
NP -> Det N NPgen (die ...)
NP -> AP N NPgen (steile Pisten ...)
NP -> Det AP N NPgen (die steilen Pisten ...)
usw.
Mögliche Lösung:
NP -> (Det) (AP) N (NPgen) (PP) (Srel) ...
- die dadurch entstehenden Strukturen wiedersprechen den Prinzipien der IC -Analyse:
Bsp:
die viel befahrenen Pisten deutscher Skiorte
mit blauer Markierung
d.h. Es gibt Konstituenten mit Nomen als Kopf, die weder Phrasen noch lexikalische Kategorien sind!
Bezeichne diese Kategorien mit N1, N2, ...
NP-Struktur
Eine kleine NP-Grammatik:
NP -> N1
NP -> Det N1
N1 -> N
N1 -> AP N1
N1 -> N1 NPgen
N1 -> N1 PP
N1 -> N1 Srel
Mini-Satzgrammatik
S -> NP VP
NP -> Det N1
N1 -> AP N1
N1 -> N1 PP
N1 -> N
AP -> A1
A1 -> Adv A1
A1 -> A
PP -> P NP
VP -> V
VP -> V PP
VP -> V AP
VP -> V NP
N -> {Urlauber, Skiorte, Pisten, Piste,Markierung}
A -> {steile, steilen, deutsche, deutschen, blauer}
V -> {befahren,befährt,sind, meiden,kommen}
P -> {auf, mit, in}
Adv -> {unglaublich}
Det -> {die, ein, einige}
Anwendung von Phrasenstrukturregeln
Formal ist eine Phrasenstrukturgrammatik folgendermaßen zu interpretieren:
- Lexikon (= Menge von terminalen Symbolen)
- Menge von Phrasenstrukturregeln
- ausgezeichnetes Startsymbol (hier S)
Die Sprache L, die von einer Grammatik G = (L,P,S) generiert wird, besteht aus der Menge aller Ketten von Elementen des Lexikons, für die gilt, daß sich diese Kette mittels Regeln aus P vom Startsymbol S ableiten lassen.
"ableiten lassen" bedeutet, daß ausgehend von S durch sukzessives anwenden der Regeln irgendwann diese Kette entsteht.
Subkategorisierung und Kongruenz
Die Mini-Grammatik erzeugt auch ungrammatische Sätze:
* die Markierung meidet
* die Urlauber kommen die Piste
* die Skiorte meiden mit Markierung
* ein Urlauber meiden die steile Pisten
* ein Skiorte mit die steile Piste
- Die VP-Regeln müssen auf die einzelnen Verben abgestimmt werden.
- Kongruenz muß geprüft werden
- Präpositionen fordern einen bestimmten Kasus
Subkategorisierung
Verben (und z.T. auch andere Wörter) benötigen oder erlauben eine bestimmte Anzahl von Argumenten (=Objekte, Ergänzungen), die von einem bestimmten Typ sein müssen:
1-stellige Verben: kommen, gehen, lachen usw.
transitive Verben: lieben, sehen, ...
Verb nur mit Dativ: helfen, ...
Verb nur mit Genitiv: harren, ...
Verb mit PP: warten auf, suchen nach, ...
3-stellige Verben: geben, schenken, ...
die Argumente des Verbs können obligatorisch oder fakultativ sein:
er schenkt ein Buch. aber: *er schenkt dem Freund
- Adverbialbestimmungen können beliebig hinzugefügt werden:
sie hilft dem Freund - sie hilft dem Freund den ganzen Tag - sie hilft dem Freuund den ganzen Tag beim Umzug - sie hilft dem Freund den ganzen Tag mit voller Kraft beim Umzug ....
Subkategorisierung in der Grammatik
für jeden Verbtyp müssen die Regeln speziell geschrieben werden.
Adverbilabestimmung müssen immer zugelassen werden.
=> 2. Version der VP -Grammatik:
VP -> V
1 NP
VP -> V1 PP
VP -> V1
V1 -> V1
V1 -> V2 NPakk
V1 = {kommen}
V2 = {meiden}
Kongruenz
Es muß sichergestellt werden, daß nur solche Nomen, Adjektive und Determinatoren miteinander kombiniert werden, die hinsichtlich ihrer morphologischen Merkmale kompatibel sind:
Beispiel die Regeln
NP -> Det N1
N1 -> N
Neue Version:
Lexikon
Det(sing,fem,nom) = {die,eine}
Det(sing,fem,akk) = {die,eine}
Det(plu,fem,nom) = {einige,die}
Det(plu,fem,akk) = {einige,die}
N(sing,fem,nom) = {Piste}
N(sing,fem,akk) = {Piste}
N(plu,fem,nom) = {Pisten}
N(plu,fem,akk) = {Pisten}
Fortsetzung: Kongruenz
Phrasenstrukturregeln:
N1(sing,fem,nom) -> N(sing,fem,nom)
N1(sing,fem,akk) -> N(sing,fem,akk)
N1(plu,fem,nom) -> N(plu,fem,nom)
N1(plu,fem,akk) -> N(plu,fem,akk)
NP(sing,fem,nom) -> Det(sing,fem,nom)
N1(sing,fem,nom)
NP(sing,fem,akk) -> Det(sing,fem,akk)
N1(sing,fem,akk)
NP(plu,fem,nom) -> Det(plu,fem,nom)
N1(plu,fem,nom)
NP(plu,fem,akk) -> Det(plu,fem,akk)
N1(plu,fem,akk)
Erweiterung der Phrasenstrukturregeln
Die vorgeschlagene Mini-NP-Grammatik enthält sehr viel redundante Information!
Bessere Lösung: trenne Strukturinformation und Kongruenzbedingungen!
NP-Grammatik 3:
NP(np_num,np_gen,np_kas) ->
Det(d_num,d_gen,d_kas)
N1(n1_num,n1_gen,n1_kas)
<np_num = d_num = n1_num>
<np_gen = d_gen = n1_gen>
<np_kas = d_kas = n1_kas>
N1(n1_num,n1_gen,n1_kas) ->
N(n_num,n_gen,n_kas)
<n1_num = n_num>
<n1_gen = n_gen>
<n1_kas = n_kas>
Satztypen
Je nach Position des finiten Verbs lassen sich im Deutschen 3 verschiedene Satztypen unterscheiden:
- Verberst-Sätze:
- Fragen: Gehst Du schon?
- Imperativsätze (Aufforderungen): Geh lieber gleich!
- Deklarativsätze (Aussagesätze):
Habe ich bereits erledigt.
Geht der doch wirklich schon.
- Verbzweit-Sätze:
- Deklarativsätze:
Ich gehe nach Hause.
Ich bin nach Hause gegangen.
Als wäre ich zu früh gegangen.
- Fragesätze:
Wann kommst Du nach Hause?
Wo bist Du heute morgen hergekommen?
Du kommst von zu Hause?
- Imperativsätze:
Der Herr sei mit Euch.
Satztypen
Verbletzt-Sätze:
Nebensätze:
..., die nach Hause gegangen sind
daß Du so früh nach Hause gegangen bist, ...
ohne zu spät zu kommen, ...
Fragesätze:
Wer wohl als erstes kommt?
Exklamativsätze (Ausrufe):
Einmal so früh nach Hause gehen!
Deklarativsätze:
Daß Du doch so früh gegangen bist.
Topologische Felder
Vorfeld |
LSK |
Mittelfeld |
RSK |
Nachfeld |
|
Gehst |
Du schon? |
|
|
|
Bist |
Du so früh |
gegangen |
,weil Du wolltest |
|
Hat |
er Dich |
getroffen |
, als er ging? |
Ich |
gehe |
nach Hause |
|
|
Wo |
hast |
Du den Freund |
getroffen |
, der Dir noch Geld schuldet? |
Ich |
fahre |
mit dem Auto in die Stadt |
|
, das Karl gehört. |
|
daß |
Du so früh nach Hause |
gegan gen bist |
|
Wer |
|
wohl als erstes |
kommt |
|
|
ob |
Hans als erster |
ging |
, der sonst als letz ter geht |
Topologische Felder
Vorfeld:
das Vorfeld ist bei Verbzweit-Sätzen immer besetzt
es ist sicher, daß er kommt - daß er kommt ist sicher
(thematisches "es")
es kann besetzt sein bei Verbletzt-Sätzen
im Vorfeld kann maximal eine Konstituente stehen
Linke Satzklammer (LSK):
die linke Satzklammer enthält das finite Verb bei Verbzweit- und Verberst-Sätzen
sie enthält die Konjunktion/Subjunktion bei Verbletzt- Sätzen
Mittelfeld:
das Mittelfeld enthält beliebig viele nicht-verbale Satzglieder
die Reihenfolge der Satzglieder im Mittelfeld ist variabel
in Verbzweitsätzen kann das Vorfeld mit einem beliebigen Satzglied des Mittelfelds vertauscht werden (natürlich nicht bei thematischem "es")
Topologische Felder
Rechte Satzklammer (RSK):
die RSK enthält alle verbalen Elemente bei Verbletzt- Sätze (auch die Infinitiv-Partikel "zu")
sie enthält alle verbalen Elemente außer dem finiten Verb bei Verberst- und Verbzweitsätzen
sie enthält die abtrennbare Verbpartikel in Verbzweit- Sätzen mit Partikelverben
(er gibt das Rennen auf)
Nachfeld
das Nachfeld enthält Adverbialsätze
es enthält Nebensätze oder Präpositionalphrasen, die sich auf Konstituenten des Mittelfelds beziehen (extraponiert)
Semantik
Die Semantik befaßt sich mit der Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken
Untersucht werden nur solche Aspekte von Bedeutung, die unabhängig von der konkreten Äußerungssituation und vom Kontext sind.
Beispiel: und
in der Logik: bedeutet: sowohl a als auch b muß zutreffen
sprachliche Verwendungsweisen von und:
(1) an Sonn- und Feiertagen
(2) das Fenster ist offen und es zieht.
(3) gib mir dein Bild und ich gebe dir meines
(4) Hans klopfte an das Fenster und zertrümmerte es
(5) Karl ist im Garten und gräbt um.
(6) die Tür wurde geöffnet und sie konnte reinkommen
(7) Maria war im Urlaub und bekam eine gute Farbe
Die logischen Junktoren
"nicht":
"oder":
p |
q |
|
1 |
1 |
1 |
1 |
0 |
1 |
0 |
1 |
1 |
0 |
0 |
0 |
"und":
p |
q |
|
1 |
1 |
1 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
0 |
"wenn ... dann":
p |
q |
|
1 |
1 |
1 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
1 |
0 |
0 |
1 |
"wenn ... dann":
p |
q |
|
1 |
1 |
1 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
0 |
0 |
0 |
1 |
Die logischen Junktoren
Bedeutung
Extension eines sprachlichen Ausdrucks:
die Menge aller "Objekte", die durch diesen Ausdruck bezeichnet werden.
Beispiel: "deutsche Großstadt" = {Hamburg, Köln, München, ...}
Beispiel: "gelb" = {x; x ist gelb}
Beispiel: "lieben" = { <x,y>; x liebt y }
Intension eines sprachlichen Ausdrucks:
die mit dem Ausdruck verküpfte Vorstellung ("Sinn")
Beispiel: "deutsche Großstadt" = Stadt mit mehr als ... Einwohner in Deutschland.
Beispiel: "gelb" = Farbe, bestimmter Bereich aus dem Farbspektrum, ...
Beispiel: "lieben" = Gefühlsregung, ...
Es gibt Ausdrücke mit derselben Extension aber unterschiedlicher Intension:
der Morgenstern ist der Abendstern
Peter ist der dümmste Mann Münchens.
Maria will Peter heiraten.
Wortsemantik
Extensionale Definition der Bedeutung für die meisten Wörter nicht möglich!
Verschiedene Ansätze:
Sinnrelationen
Komponentenanalyse
Prototypensemantik
Sinnrelationen 1
Grundidee
: Beschreibung der Bedeutung der Lexeme durch ihre Beziehung zu anderen Lexemen
- Synonymie: Bedeutungsgleichheit
zwei Lexeme V und W sind total synonym gdw. sie in allen sprachlichen Kontexten ohne Bedeutungsveränderung füreinander eingesetzt werden können.
Beispiel: Vetter - Cousin
Ich besuche morgen meinen {Vetter, Cousin}
Karl ist mein {Vetter, Cousin}
zwei Lexeme V und W sind partiell synonym gdw. sie in einer bestimmten Klasse von sprachlichen Kontexten ohne Bedeutungsveränderung füreinander eingesetzt werden können.
Beispiel: Rechner - Computer
Ich arbeite an meinem {Rechner, Computer}
Dein {Rechner, Computer} ist schneller
aber: Mein Bruder ist ein guter {Rechner, *Computer}
Sinnrelationen 2
Antonymie und Opposition: Bedeutungsgegensatz
eine Gruppe von Lexemen steht in Opposition, wenn sich die Bedeutungen gegenseitig ausschließen.
Beispiel:
Montag, Dienstag, Mittwoch, ...
eins, zwei, drei, ...
zwei Lexeme sind Antonyme, wenn es sich bei ihnen um gegensätzliche Pole handelt. Die Bedeutungen schließen einander aus, es muß jedoch nicht eines der beiden zutreffen!
Beispiel: sauber - dreckig, jung - alt
ein spezieller Fall von binärer Opposition ist die Komplementarität: Im Gegensatz zur Antonymie muß (evt. in einem engen Kontext) eines zutreffen.
Beispiel: männlich - weiblich, sichtbar - unsichtbar
Sinnrelationen 3
Hyperonymie und Hyponymie: Ober- /Unterbegriff
Ein Lexem A ist ein Hyperonym eines Lexems B, wenn A ein Oberbegriff von B ist.
Ein Lexem A ist ein Hyponym eines Lexems B, wenn A ein Unterbegriff von B ist.
Test: Jedes A ist ein B aber nicht jedes B ist ein A
Beispiel: Frucht - Apfel
Frucht ist ein Hyperonym zu Apfel
Apfel ist ein Hyponym zu Frucht.
Jeder Apfel ist eine Frucht aber nicht jede Frucht ist ein Apfel.
Lexeme, die dieselben Hyperonyme haben, heißen auch kohyponym.
Beispiel: Apfel - Birne
Sinnrelationen 4
Meronymie: Teil-Ganzes-Relation
Zwischen zwei Lexemen herrscht Meronymie, wenn das eine Lexem einen Teil des anderen Lexems beschreibt.
Beispiele:
Dach - Gebäude
Mensch - Arm
Meronymie kann auch Element-von bedeuten:
Spieler - Mannschaft
Wortfelder:
Wortfelder sind Mengen von Lexemen, die in paradigmatischer Beziehung zueinander stehen, und zwischen denen jeweils eine der genannten Bedeutungsrelationen vorliegt. (In der Regel wird die Meronymie dabei vernachlässigt!).
Häufig lassen sich lexikalische Felder durch einen Oberbegriff bezeichnen.
Beispiel: Tiere = { Tier, Säugetier, Affe, Elefant, Fisch, ...}
Bedeutung von Ausdrücken
Prinzipiell muß unterschieden werden zwischen inhalttragenden Wörtern (Nomen, Adjektive, Verben, ...) und Funktionswörtern (Determinatoren, Konjunktionen, Partikeln, ...)
Geht man davon aus, daß die lexikalische Semantik die den inhalttragenden Wörtern zugrundeliegenden Konzepte erklärt, so läßt sich formal die Bedeutung dieser Wörter folgendermaßen beschreiben:
||wort|| = {<x1,x2,...,xn>;WORT(x1,x2,...,xn)}
Dabei soll ’WORT’ die lexikalische Bedeutung von ’wort’ repräsentieren.
- Beispiel:
||haus|| = {x; HAUS(x)}
||gelb|| = {x; GELB(x)}
||lieben|| = {<x,y>;LIEBEN(x,y)}
||geben|| = {<x,y,z>;GEBEN(x,y,z)}
- Eigennamen: Annahme, ein Name bezeichnet eindeutig eine Person:
||Peter|| = PETER
||Maria|| = MARIA
Bedeutung von komplexen Ausdrücken
Kompositionalitäts-Prinzip:
Im Normalfall setzt sich die Bedeutung von komplexen Ausdrücken in bestimmter Weise aus den Bedeutungen der einzelnen Wörter zusammen:
Beispiel: ||gelbes Haus|| = {x; GELB(x) & HAUS(x)}
||ein gelbes Haus|| = ||ein|| + ||gelbes Haus|| =
|| jedes gelbe Haus|| = ||jedes|| + ||gelbe Haus|| =
||Peter liebt Maria||: Ziel:
- Zu jeder syntaktischen Kombinationsregel muß es auch eine Regel geben, die spezifiziert, wie sich aus der Bedeutung der Teile die Gesamtbedeutung ergibt
- Repräsentation der Bedeutung als logische Formel.
Fragment: Lexikon
Lexikon:
EN = {Peter, Maria}
N = {Haus, Ball,Mann}
V1 = {schnarcht}, V2 = {liebt}, V3 = {gibt}
A = {gelb}
D = {einen, jeder,jeden}
KONJ = {und}
||Peter|| = PETER, ||Maria|| = MARIA
||Haus|| = {x; HAUS(x), ||Ball|| = {x; BALL(x)},
||Mann|| = {x; MANN(x)}
||schnarcht|| = {x; SCHNARCHEN(x)}, ||liebt|| = {<x,y>; LIEBEN(x,y)}, ||gibt|| = {<x,y,z>;GEBEN(x,y,z)}
||gelb|| = {x; GELB(x)}
||einen||: ,
||jeder|| = ||jeden|| :
||und||:
1. Versuch - Syntax und Semantik:
Syntax und Semantik:
NP -> EN ||NP|| = ||EN||
VP -> V2 NP2 ||VP|| = {x; VV(x,||NP2||)}
wobei ||V2|| = {<x,y>; VV(x,y)}
S -> NP1 VP ||S|| = VV(||NP1||,||NP2||)
Ableitung von "Peter liebt Maria":
S -> NP1 VP : ||Peter liebt Maria|| = ||S|| =
VV(||NP1||,||NP2||)
NP1 –> EN: ||Peter|| = ||NP1|| = ||EN||
EN -> Peter: ||Peter|| = ||EN|| = PETER
VP -> V2 NP2 : ||liebt Maria|| = {x;VV(x,||NP2||)}
V2 -> liebt: ||liebt|| = ||V2|| = {<x,y>;LIEBEN(x,y)}
NP2 –> EN: ||Maria|| = ||NP2|| = ||EN||
EN -> Maria: ||Maria|| = ||EN|| = MARIA
||liebt Maria|| = LIEBEN(x, MARIA)
||Peter liebt Maria|| = LIEBEN(PETER,MARIA)
1. Versuch - Syntax und Semantik:
Erweiterung, so daß auch "Maria schnarcht." korrekt analysiert wird.
Ziel: ||Maria schnarcht|| = SCHNARCHEN(MARIA)
Versuch: Ergänze Regel:
VP -> V1 ||VP|| = {x; VV(x)}, wobei ||V1|| = {x; VV(x)}
Analyseversuch von "Maria schnarcht":
S -> NP1 VP : ||Maria schnarcht|| = ||S|| =
VV(||NP1||,||NP2||)
NP1 –> EN: ||Maria|| = ||NP1|| = ||EN||
EN -> Maria: ||Maria|| = ||EN|| = MARIA
VP -> V1: ||schnarcht|| = ||V1|| = {x; VV(x)}
V1 - > schnarcht: ||schnarcht|| = {x;SCHNARCHEN(x)}
||Maria schnarcht|| = ???
SCHNARCHEN(x) = SCHNARCHEN(MARIA,||NP2||) ???
=> die VP darf nur eine freie Argumentstelle haben
2. Versuch - Syntax und Semantik:
- Syntax und Semantik
- NP -> EN ||NP|| = ||EN||
- VP -> V2 NP2 ||VP|| = {x; VVV(x)}
wobei VVV(x) = VV(x,||NP2||)}
und ||V2|| = {<x,y>; VV(x,y)}
- VP -> V1 ||VP|| = {x; VVV(x)},
wobei ||V1|| = {x; VVV(x)}
- S -> NP1 VP ||S|| = VVV(||NP1||)
- Ableitung von "Maria schnarcht":
- S -> NP1 VP : ||Maria schnarcht|| = ||S|| =
VVV(||NP1||)
- NP1 –> EN: ||Maria|| = ||NP1|| = ||EN||
- EN -> Maria: ||Maria|| = ||EN|| = MARIA
- VP -> V1: ||schnarcht|| = ||V1|| = VVV(x)
- V1 - > schnarcht: ||schnarcht|| = {x;SCHNARCHEN(x)}
- ||Maria schnarcht||: SCHNARCHEN(MARIA)
Erweiterung um Satzkoordination
Erweiterung um Koordinationsregel, die die Analyse von "Maria liebt Peter und Peter schnarcht" erlaubt:
S -> S1 KONJ S2 ||S|| = || S1|| ||KONJ|| ||S2||
Ableitung von "Maria liebt Peter und Peter schnarcht":
S -> S1 KONJ S2
||S1|| = ||Maria liebt Peter|| = LIEBEN(MARIA,PETER)
||S2|| = ||Peter schnarcht|| = SCHNARCHEN(PETER)
KONJ -> und
||S|| = ||Maria liebt Peter|| ||und|| ||Peter schnarcht||
||S|| =
Normale "NPen"
Erweiterung, so daß auch "jeder Mann schnarcht." korrekt analysiert wird.
Versuch: Ergänze Regel:
NP -> D N Q(x) NN(x), wobei ||N|| = {x; NN(x)} und
||D|| = Q(x) NN(x)
damit:
||jeder Mann|| =
||jeder Mann schnarcht|| = ?????
Ziel eigentlich:
||jeder Mann schnarcht|| =
Bedeutung - Referenz
Bedeutung von Nomen: Menge aller Objekte, die die entsprechende Eigenschaft haben.
Bedeutung von Eigennamen: bestimmte Person
Annahme war: ein Eigenname bezeichnet eine Person eindeutig. Das ist aber nur in speziellen Kontexten möglich. Die bezeichnete Person ist nur dann zu identifizieren, wenn der Kontext eindeutig ist.
In diesem Fall wird mit dem Eigennamen auf die entsprechende Person referiert.
Referenz ist die Bezugnahme mit sprachlichen Ausdrücken auf konkrete Objekte
Referenz ist meist nur im Hinblick auf eine konkrete Äußerungssituation zu beschreiben.
Typische Ausdrücke, die referieren:
Pronomen
Eigennamen
definite NPen
Pragmatik
Die (linguistische) Pragmatik untersucht die Relation zwischen natürlich-sprachlichen Ausdrücken und ihren spezifischen Verwendungssituationen.
Abgrenzung Semantik - Pragmatik:
Die Semantik untersucht die wörtliche, kontextinvariante Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. Das Ziel ist die Formulierung von allgemeinen Wahrheitsbedingungen von Sätzen.
Die Pragmatik untersucht die kommunikative Funktion von sprachlichen Äußerungen in situationsspezifischen Verwendungen. Untersucht werden die Bedingungen unter denen mittels sprachlicher Äußerungen erfolgreich kommuniziert werden kann.
Beziehungen zu anderen Teilgebieten:
Phonologie: welche kommunikative Funktion hat z.B. Betonung?
Syntax: welche kommunikative Funktion hat die Wahl einer bestimmten Konstruktion / Abfolge?
Beispiele 1
Kannst Du mir sagen, wieviel Uhr es ist?
Ja!
Obwohl formal als ja/nein-Frage gestellt, ist das kommunikative Ziel, zu erfahren, wieviel Uhr es ist.
Der König von Frankreich ist glatzköpfig.
Es gibt (im Moment) keinen König von Frankreich.
Was sind die Wahrheitsbedingungen für diesen Satz?
Heute ist Maria nicht zu spät gekommen.
mitverstanden wird in der Regel: sie kommt meistens zu spät!
Unter welchen Bedingungen wird mehr als der eigentliche Wortlaut ausgedrückt?
Peter hat einen Fuß im Gips.
mitverstanden wird: es ist sein Fuß
Gibt es einen Unterschied zum vorhergehenden Satz?
Beispiele 2
Der Mann mit dem Martini ist Peters Vater.
Welcher Mann ist gemeint?
Welche Bedingungen müssen durch den Kontext erfüllt sein, damit es möglich ist, Peters Vater zu identifizieren?
Kann es auch sein, daß Peters Vater einen Wein trinkt?
Das Schnitzel sitzt an Tisch 8.
Was sind mögliche Kontexte für diesen Satz?
Der da drüben neben der Tür ist Peter.
Wer ist in diesem Fall gemeint?
Wie könnte man das formalisieren?
(1) Peter glaubt, daß Maria zu spät kommt.
(2) Peter ist enttäuscht, daß Maria zu spät kommt.
Satz 2 impliziert, daß Maria zu spät kommt. Satz 1 nicht.
Wie läßt sich das formal feststellen?
Beispiel 3
Ein ganz normales Gespräch?
A: Dieser Tage, vielleicht am Dienstag, es kann aber auch Mittwoch gewesen sein, oder war’s schon am Montag? Also sicher nicht am Sonntag, höchstens noch am Samstag, da habe ich gesehen, wie auf dem Maria-Platz eine Frau mit dem Auto vorbeikam, und stell Dir vor in dem Auto, da war noch ein Hund gesessen, so ein brauner oder schwarzer oder grauer.
B: Es gibt hier doch keinen Maria-Platz. Was soll denn das? Den haben wir hier doch gar nicht!
A: Dann halt Marien-Platz.
B: Das war mir schon klar, daß Du den meinst.
A: Eben.
B: Dort ist Fußgängerzone, da dürfen keine Autos fahren.
A: Ach nein? Naja, dann war’s halt nicht so.
- Was läuft bei diesem Gespräch alles schief?
Grice’sche Konversationsmaximen
Kooperationsprinzip:
Mache deinen Gesprächsbeitrag so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, verlangt wird.
Das bedeutet konkret:
Sage nichts, was du für falsch hältst
Sage nichts, wofür dir die angemessene Evidenz fehlt.
Maxime der Quantität:
Mache deinen Gesprächsbeitrag so informativ, wie es von der aktuellen Situation verlangt wird
Mache deinen Gesprächsbeitrag nicht informativer als nötig.
Maxime der Relevanz
Mache deinen Gesprächsbeitrag relevant
Maxime der Modalität
Sei klar und deutlich.
Implikaturen
Als Implikatur bezeichnet man das, was nicht wörtlich gesagt wird, aber trotzdem mitverstanden wird:
p ist eine (pragmatische) Implikatur einer Äußerung A, wenn mit der Äußerung von A der Schluß auf p möglich ist, ohne daß der Sprecher mit A wörtlich gesagt hätte, daß p.
konversationelle Implikatur:
Zieht ein Hörer den Schluß von A auf p aufgrund des Inhalts und der Annahme der Kooperationsbereitschaft, d.h. unter der Annahme, daß der Sprecher die Konversationsmaximen beachtet, so handelt es sich um eine konversationelle Implikatur
Beispiel:
A: Wie spät ist es?
B: Die Schule ist schon aus.
Heute kam Maria nicht zu spät.
Konventionelle Implikaturen
Konventionelle Implikatur:
Wenn p eine Implikatur einer Äußerung A ist, und die Folgerung von A auf p per Konvention mit bestimmten Wörtern oder bestimmten grammatischen Konstruktionen verbunden ist.
Beispiele:
Kannst Du mir sagen, wieviel Uhr es ist?
Kannst Du mir helfen?
Maria liebt nur Peter.
Peter ist enttäuscht, daß Maria zu spät kommt.
Die Blumen sind verblüht.
Eigenschaften von Implikaturen
Löschbarkeit:
Eine Implikatur ist löschbar, wenn die Implikatur durch die Wahl eines geeigneten Kontexts unterdrückt werden kann, ohne daß ein Widerspruch entsteht:
Kam Maria heute zu spät?
Ich weiß nicht, ob Maria sonst zu spät kommt, heute kam Maria nicht zu spät.
Peter ist enttäuscht, daß Maria zu spät kommt, obwohl Maria nicht zu spät kommt.
Ablösbarkeit (Abtrennbarkeit):
Eine Implikatur ist ablösbar (abtrennbar), wenn sie von der konkreten Form von A abhängig ist, d.h., wenn es eine Paraphrase von A gibt, die die Implikatur nicht auslöst:
Peter ist heute nicht betrunken.
Peter ist heute nüchtern.
Die Blumen sind verblüht.
Die Blumen sind welk.
Abgrenzung: konventionelle - konversationelle Implikatur
konversationelle Implikatur:
läßt sich argumentativ rekonstruieren
löschbar
nicht ablösbar
konventionelle Implikatur:
keine argumentative Rekonstruktion
nicht löschbar
ablösbar
Präsupposition
Präsuppositionen sind Sachverhalte, die von einer Äußerung implizit vorausgesetzt werden.
Beispiel: "der augenblickliche König von Bayern"
Bayern hat einen König
es gibt im Moment genau einen König
A präsupponiert B gdw. gilt:
aus A folgt logisch B
aus -A folgt logisch B
semantische und pragmatische Präsupposition
A präsupponiert B semantisch, wenn B von A unabhängig vom Kontext (bzw. in allen möglichen Kontexten) präsupponiert wird.
A präsupponiert B pragmatisch, wenn es einen Kontext gibt, in dem B von A präsupponiert wird, aber nicht in jedem Kontext.
Präsupposition: Beispiel
Kontext: am CIS findet ein Tag der offenen Tür statt, bei dem jeder Mitarbeiter etwas aus seinem Arbeitsbereich vorstellt.
A: Die Demo zum NP-Parsing macht Jürgen in der zweiten Runde.
Mögliche Folgerungen:
Es gibt (genau) eine Demo zu NP-Parsing
Jürgen ist Mitarbeiter am CIS
NP-Parsing gehört zu Jürgens Arbeitsbereich
Am CIS beschäftigt man sich mit NP-Parsing
Es gibt mindestens 2 Runden von Demos
...
Typische Präsuppositionsauslöser 1
Kennzeichnungen:
der gegenwärtige König von Bayern
Faktive Prädikate (wissen, bedauern, erkennen, dumm, ...)
er bedauert, daß das Wetter schlecht ist
Implikative Verben (es fertigbringen, sich herablassen,...)
es gelang ihr, das Problem zu lösen
Verben der Zustandsveränderung (aufhören,...)
sie hat aufgehört zu rauchen
Judikative Verben (tadeln, loben,...)
er lobt/tadelt sein Verhalten
Partikeln (nur, schon, sogar,...)
der softe Typ ist jetzt wieder gefragt
Konjunktionen (aber, weil, ...)
sie protestierte, aber keiner hörte auf sie
Typische Präsuppositionsauslöser 2
Selektionsbeschränkungen
Andrea ist schwanger
Grammatische Kategorien (Tempus, Modus, ...)
er wird ein Studium beginnen
Temporale Nebensätze
sie hat ein Buch gelesen bevor ins Kino ging
asymmetrisch geordnete Nebensätze
Sonja wurde schwanger und heiratete Max
Sonja heiratete Max und wurde schwanger
Appositive Relativsätze
die Bayern, die (übrigens) als sehr fortschrittlich gelten
Irreale Konditionale
wenn heute nicht Dienstag wäre, ...
Fragesätze
ist Maria schwanger?
gehst du ans Meer oder in die Berge?
wer hat die Schokolade aufgegessen?
Sprechakte
Mit sprachlichen Äußerungen können Handlungen vollzogen werden:
Pfarrer: "Ich taufe Dich auf den Namen ..."
Richter: "Ich verurteile Sie zu 5 Jahren."
X: "Ich lade Dich zum Abendessen ein."
Mit welchen Arten von Äußerungen können Handlungen vollzogen werden?
"Mach’ bitte das Fenster zu!"
"Kannst Du das Fenster zumachen?"
"Jemand sollte das Fenster zumachen."
"Es zieht."
"Hiermit bitte ich Dich höflichst, das Fenster zuzumachen."
Welche Arten von (sprachlichen) Handlungen gibt es?
Wie lassen sich solche Sprechakte systematisch beschreiben?
Bestandteile von Sprechakten
Grundvoraussetzung: es muß etwas sprachlich geäußert werden. Diesen Teil nennt man den lokutionären Akt:
phonetischer Akt: es werden Laute geäußert
phatischer Akt: es werden Wörter in bestimmten grammatischen Konstruktionen geäußert.
phonetischer und phatischer Akt bilden zusammen den Äußerungsakt.
rhetischer Akt: es wird über ein bestimmtes Thema/ Person... etwas geäußert.
(-> er sagte, daß X, X entspricht dem rhetischen Akt)
= die geäußerte Proposition (auch propositionaler Akt)
der lokutionäre Akt geschieht mit einer bestimmten Intention (z.B. warnen, feststellen, fragen, auffordern, empfehlen, abraten, ....): das ist der illokutionäre Akt. Die Äußerung hat damit eine bestimmte illokutionäre Rolle (Warnung, Frage, ...).
erzielt der illokutionäre Akt beim Hörer einen Effekt (er wird abgehalten etwas zu tun, antwortet, gehorcht der Aufforderung, ...) so wird mit der Äußerung auch ein perlokutionärer Akt vollzogen.
Beispiele für Sprechakte
Wieviel Uhr ist es?
Hans kommt zu spät.
Ich lade Dich heute abend zum Essen ein.
Ich werde ganz sicher kommen.
Richter: Ich erkläre den Angeklagten für schuldig.
Pfarrer: Ich taufe Dich auf den Namen "Fritz".
Hör sofort auf damit!
Du Trottel.
Hiermit frage ich Dich: wie geht es Dir.
Hiermit verspreche ich, heute zu kommen.
Hiermit stelle ich fest, ...
Hiermit fordere ich Dich auf, ...
=> welche Voraussetzeungen müssen für das Glücken eines Sprechakts gegeben sein?
=> welche und wieviele Arten von Sprechakten gibt es?
Glückensbedingungen für Sprechakte
normale Ein- und Ausgabebedingungen
allgemeine Bedingungen für sinnvolles Sprechen
- Bedingung des propositionalen Gehalts
- wie muß der propositionale Gehalt im Hinblick auf den Zweck beschaffen sein?
- Einleitungsbedingungen
- welche Grundvoraussetzungen müssen bei Sprecher und Hörer gegeben sein, damit ein Sprechakt glücken kann
- Aufrichtigkeitsbedingung
- der Sprecher muß die Wahrheit sagen
- der Sprecher muß die Illokution auch wollen
- Wesentliche Bedingung
- Spezifikation des illokutionären Aktes
- Bsp.: versprechen: der Sprecher verpflichtet sich zu einer Handlung
- bedeutungstheoretische Bedingung
- es muß Sprachkonventionen geben, die den Vollzug des illokutionären Aktes gewährleisten
Beispiel: versprechen
S: "Ich komme sicher heute abend, versprochen."
A: S kommt am betr. Abend zu H. (= propositionaler Gehalt)
- normale Ein- und Ausgabedingungen
normale Kommunikationssituation zwischen S und H
- Bedingung des propositionalen Gehalts
- bezeichnet zukünftige Handlung A von S
- Einleitungsbedingungen
- S ist in der Lage A zu tun
- H hat ein Interesse daran, daß S A tut
- Aufrichtigkeitsbedingung
- S hat die Absicht A zu tun
- wesentliche Bedingung
- S verpflichtet sich mit der Äußerung, A zu tun
- bedeutungstheoretische Bedingung
- "versprochen" bedeutet, daß es sich um ein Versprechen handelt
Searles Taxonomie von Sprechakten
Die 3 wichtigsten Klassifikationskriterien für Sprechakte:
- Unterschiede im illokutionären Zweck
Zusammenfassung nach den wesentlichen Bedingungen
Bsp: H soll auf eine zukünftige Handlung festgelegt werden: Aufforderung, Befehl, Bitte, ...
- Unterschiede der Anpassungsrichtung zwischen Wort und Welt
- Welt auf Wort: die Welt soll den Worten angepaßt werden: Aufforderung, Wunsch, ..
- Wort auf Welt: die Worte sind der Welt angepaßt: Feststellung, Behauptung
- Unterschiede in den jeweils ausgedrückten psychischen Zuständen
- Klassifikation nach den Aufrichtigkeitsbedingungen
- Bsp. S wünscht, daß H etwas tut: Aufforderung, Befehl, Bitte, ...
Grundkategorien illokutionärer Akte 1
Repräsentativa (Assertive):
feststellen, behaupten, beschreiben, ...
Sprecher legt sich darauf fest, daß etwas der Fall ist
Wort auf Welt
Überzeugung, daß etwas der Fall ist
Direktiva:
auffordern, erlauben, raten, befehlen, ...
S versucht H dazu zu bringen etwas zu tun
Welt auf Wort
Wunsch, daß H etwas tut
Kommisiva:
versprechen, ankündigen, drohen, ...
S legt sich auf ein bestimmtes Verhalten fest
Welt auf Wort
Absicht, etwas zu tun
Grundkategorien illokutionärer Akte 2
Expressiva:
gratulieren, danken, sich entschuldigen, ...
Ausdruck eines psychischen Einstellung von S gegenüber einem Sachververhalt
Keine Richtung erkennbar
S will die entsprechende Einstellung zum Ausdruck bringen
Deklarativa:
Krieg erklären, verurteilen, taufen, kündigen,...
i.d.R. an außersprachliche Institutionen gebunden (Richter kann verurteilen, Pfarrer taufen, ...)
durch den Vollzug des illokutionären Aktes wird eine Übereinstimmung zwischen Welt und Wort hergestellt
S schafft die entprechenden Fakten
=> Wo sind Fragen einzuordnen?
Realisierungsmöglichkeiten von Sprechakten
Explizit performativ:
ich fordere Dich auf ..., ich befehle ..., hiermit stelle ich fest, ...
spezielle sprachliche Mittel
Satzmodus: imperativ, deklarativ, ...
lexikalische Mittel: sicher, versprochen, bitte, ...
Intonation
indirekt: eigentlich wird ein anderer Sprechakttyp benutzt
es zieht hier
kann jemand das Fenster zumachen
CL-Anwendungen 1
die "klassischen" Anwendungen
maschinelle Übersetzung
natürlichsprachliche Datenbankabfrage
Dialogsysteme / Expertensysteme
Anwendung in der Textverarbeitung
Diktiersysteme
Rechtschreibkorrektur
Grammatik-/Stil-Prüfung
Umsetzung der Rechtschreibreform
Orthographische Normierung
Strukturierung von Dokumenten
Anwendungen im Bereich "Information Retrieval"
Volltextindexierung
Informationsextraktion
automatische Klassifikation
"Information Filtering"
CL-Anwendungen 2
Anwendungen für den Sprachunterricht
Vokabeltrainer
Grammatiktrainer
Sprachtests
Sprachhilfen für Behinderte
Eingabehilfen
Symbolsprachen
intelligente Verwaltung von Textteilen
"text-to-speech"-Programme
Terminologie
Erstellung von Terminologien
Verwaltung von Glossaren
Lexikographie
Lexikographenarbeitsplatz
Belegextraktion
Lemma-Auswahl
verschiedene Tools
Maschinelle Übersetzung
Übersetzung eines Satzes in die Zielsprache
Transfer - Interlingua
Transfer - Modell:
Interlingua - Modell:
Natürlichsprachliche Datenbankabfrage
Übersetzung des eingegebenen Satzes in eine geeignete Datenbankabfragesprache
Evaluierung der Datenbank
Ausgabe der Antwort
möglicher Ablauf:
Rechtschreibkorrektur
Bereiche:
manuell eingegebener Text
OCR
Erkennung nicht korrekter Wörter.
umfangreiches Wörterbuch
Kompositazerlegung
Erkennung von Kongruenzfehlern
Phrasenerkennung und Kongruenzcheck
Generierung von Korrekturvorschlägen:
korrekte Flexionsform (insbes. bei Kongruenzfehlern)
gleiche Wortart
Anwendungsabhängige Korrektur:
Korrektur typischer OCR-Fehler:
i<->l
1. Buchstabe fehlt
Berechnung nach phonetischer Nähe
Soundex
Korrektur typischer Tipfehler
Sprachlernsoftware
Grammatik-/Übersetzungstrainer:
Lückentext
freie Formulierung
grammatische Analyse der Eingabe notwendig zur Erkennung des Fehlertyps:
falschgeschriebenes Wort
falsche Wortform -> morphologische Analyse
Kongruenzfehler -> synt. Phrasenerkennung
falscher Satzbau -> syntaktische Analyse
falsche Wortwahl (z.B. Verletzung von Selektionsrestriktionen, falsche Lesart) -> semantische Analyse
Ziele:
Korrektur der Eingabe
Erklärung des Fehlers
Generierung weiterer Übungen zum jeweiligen Fehlertyp
Sprachhilfen für Behinderte
Ziele:
Versprachlichung der Eingabe
möglichst effiziente Eingabe von Wörtern/Texten
Auswahl aus schon gespeicherten Textbausteinen
Eingabeerleichterung durch:
Auswahl aus Symbolen
Vorauswahl durch Gliederung nach Bereichen
Generierung möglicher Fortsetzungen für
Wörter durch entsprechenden Lexikon Look-up
Sätze durch Vorgenerierung durch die Grammatik
Weglaßbarkeit bestimmter Wörter
Auswahl aus Textbausteinen:
Nutzung von Techniken aus dem Information Retrieval für effiziente Indexierung und effizientes Retrieval
Einsatz von externen Wissenquellen wie Thesauri
Lexikographie
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Korpuslinguistik
statistische Linguistik
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