Großmessen
Fröhlich unter Druck
Der aktuellen Wirtschaftskrise zum Trotz konnten viele Messegesellschaften im vergangenen Jahr noch kräftig zulegen
Messemanager zu sein zählt in schwierigen Zeiten wie diesen bestimmt nicht zu den schlimmsten Jobs. Durch ihr Bauchladengeschäft mit unterschiedlichsten Veranstaltungen sind sie zwar mit sehr vielen Branchen verbandelt, aber eben auch nicht von einer einzigen allein abhängig. Wenn zu Hause ein Bereich schwächelt, ergeben sich andere Möglichkeiten weltweit.
So können die deutschen Messechefs tatsächlich auf ein ausgesprochen erfolgreiches Messejahr 2008 zurückblicken. So sieht man der Umsatzstatistik der elf größten deutschen Messeveranstalter mit eigenem Gelände denn auch kaum an, dass bereits im vergangenen Jahr der Weltwirtschaft die größte Krise seit den zwanziger Jahren ins Haus stand. Der weit überwiegende Teil der Gesellschaften konnte - teilweise sogar kräftig - zulegen. Lediglich im Bereich der "Big Seven", die in der Gemeinschaft Deutscher Großmessen e. V. (GDG) zusammengeschlossen sind, zeigt sich ein gemischteres Bild: Während Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und Nürnberg ihre Umsätze steigern konnten, mussten München und Köln Erlösrückgänge hinnehmen, die nicht nur programmbedingt waren. So kamen im vergangenen Jahr zu Veranstaltungen der Koelnmesse wie Domotechnica (Hausgeräte), Spoga+Gafa (Sport, Camping und Lifestile im Garten) oder der Fahrradmesse Ifma deutlich weniger Aussteller und Besucher, in München schwächelten die Handwerksmesse sowie die Computermesse Systems.
Dass es der Branche insgesamt aber noch ganz passabel geht, zeigen die Kennzahlen für 2008. So verzeichneten die 153 überregionalen Messen nach Berechnungen des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (Auma) etwa zwei Prozent mehr Aussteller und Besucher als die jeweiligen Vorveranstaltungen; die vermietete Fläche wuchs um 1,5 Prozent. "Das ist zwar weniger Wachstum als im Vorjahr, aber wir können angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen zufrieden sein", sagt Hans-Joachim Boekstegers, Vorsitzender des Auma. In Umsatzzahlen ausgedrückt, beziffert der Verband das Messe-Marktvolumen für 2008 mit etwa 2,75 Milliarden Euro (Vorjahr 2,6). Dabei verleibten sich die "Big Seven" der Messegesellschaften mit einem Gesamterlös von etwa 1,93 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,83) - entsprechend einem Marktanteil von 70 Prozent - das größte Stück vom Messekuchen ein.
Sich erst einmal gemütlich zurücklehnen dürfen die Messechefs aber dennoch nicht. Nach Auffassung von Experten ist die Branche vor dem Hintergrund der Rezession jetzt erst recht gefordert, mit Innovationen, Kooperationen sowie einer Internationalisierungsstrategie ihr Geschäft für die Zukunft abzusichern. "Den Messen ist klar, dass internationale Märkte auch in Zukunft große Chancen für ein umsatzstarkes Wachstum eröffnen", sagt Wolf M. Spryß, Leiter des Messe-Instituts in Laubenheim.
Daher setzen vor allem die Großmessen auf das Ausland als Wachstumsmotor. So erzielte die Messe Düsseldorf in den letzten drei Jahren im Schnitt ein Drittel ihres Umsatzes im Ausland, das entspricht für 2008 einem Volumen von etwa 150 Millionen Euro. Hauptumsatzbringer ist die Tochtergesellschaft in Brünn. Darüber hinaus zahlt sich der langjährige Einsatz in Russland aus. Auch die Messe Frankfurt hat in den letzten Jahren einen wachsenden Umsatz-Anteil in anderen Ländern erwirtschaftet. Inzwischen entfallen vom 2008er Konzernumsatz der Hessen (436 Milliarden Euro) mit 104 Milliarden Euro rund ein Viertel der Erlöse auf Veranstaltungen jenseits der Grenzen.
Auch die Nürnberg-Messe will zu den Gewinnern der Globalisierung gehören und ihren Auslandsumsatz bis 2020 von zuletzt gut fünf auf 50 Millionen Euro vervielfachen. Dazu werde "es notwendig sein, Tochtergesellschaften in allen wichtigen Weltwirtschaftsregionen zu gründen und weltweit Messen und Messegesellschaften zu kaufen", sagt Bernd A. Diederichs, Geschäftsführer der Nürnberg-Messe-Group.
Derart breit aufgestellt zeigen sich die Messelenker den düsteren Konjunkturprognosen zum Trotz zuversichtlich im neuen Messejahr. Natürlich werde die Finanzkrise am Messewesen nicht spurlos vorübergehen, sind sich viele Messechefs einig. "Dennoch erwarten wir kurzfristig keine größeren Beeinträchtigungen." Da Düsseldorf, so Werner M. Dornscheidt, nach dem umsatzstarken Jahr 2008 in 2009 ein turnusgemäß schwächeres Messejahr ohne große Industriemessen zu verzeichnen habe, würden die negativen Konjunktureffekte abgeschwächt. Für 2010 - wieder ein stärkeres Messejahr - seien die Prognosen für die Messeveranstaltungen wieder stabiler.
Leipzig-Messechef Wolfgang Marzin weist darauf hin, dass das deutsche Messewesen sich bisher als sehr robust gegenüber den aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen gezeigt habe. Die Messe Leipzig rechne mit weiterem Wachstum vor allem in den Themenfeldern Maschinenbau, Medizin und Gesundheit sowie im Kongressbereich. Auch Gerald Böse von der Koelnmesse zeigt sich optimistisch. Selbst wenn einige Wirtschaftszweige ihre Prognosen herunterschrauben sollten, würden sie nicht auf das Marketinginstrument Messe verzichten, das ihnen gerade in Zeiten schwieriger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen am schnellsten helfen könne.
Doch es gibt auch skeptische Stimmen. Michael von Zitzewitz von der Messe Frankfurt hält die Entwicklungen einzelner Branchen im Detail für nicht absehbar. Feststehe, dass der globale Nachfrageeinbruch auch die deutsche Industrie bereits erfasst habe, die Automobilwirtschaft zähle zu den deutlichsten Beispielen. Die historische Bankenkrise werde an keiner Branche spurlos vorüberziehen. Für Horst Penzkofer, wissenschaftlicher Referent am Münchner Ifo- Institut für Wirtschaftsforschung, ist klar: Wenn die gesamtwirtschaftliche Großwetterlage zu wünschen übrig lasse, seien auch bei den Messen Einbußen zu erwarten. Werner Delfmann, Vorstand des Kölner Instituts für Messewirtschaft und Distributionsforschung, schließt Kriseneinflüsse ebenfalls nicht aus, denn: "Messeveranstaltungen sind die Spiegel ihrer Märkte, sie werden als Branchenbarometer und als Katalysatoren verstanden."
Salomonischer klingt da die Einschätzung von Auma-Chef Boekstegers. Er hält die meisten Firmen für "klug genug", die Messepräsenz nicht wesentlich einzuschränken - denn es gehe ja gerade darum, das Geschäft durch Bindung der bestehenden Kunden und durch neue Kunden zu stabilisieren. Die bisherige Entwicklung zeige, dass die Messekonjunktur relativ robust sei und auf das ganze Jahr 2009 gerechnet ein konstantes Ergebnis erreichbar sein dürfte. Fazit für Ökonomen und Messemanager: Was immer auch an Ungemach kommt, Einknicken ist nicht erlaubt.
Die Großwetterlage bleibt schwierig vorherzusagen - Auswirkungen noch offen
Zu früh gefreut? Diese Frage beantworten viele Messen klar mit Nein. Foto: dpa
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